Land Rover Defender
Die Weisheit des Alters

http://www.fahrzeugsblog.de/wp-content/uploads/2013/12/Land_Rover_Defender_002.jpghttp://www.fahrzeugsblog.de/wp-content/uploads/2013/12/Land_Rover_Defender_002.jpghttp://www.fahrzeugsblog.de/wp-content/uploads/2013/12/Land_Rover_Defender_002.jpghttp://www.fahrzeugsblog.de/wp-content/uploads/2013/12/Land_Rover_Defender_002.jpghttp://www.fahrzeugsblog.de/wp-content/uploads/2013/12/Land_Rover_Defender_002.jpghttp://www.fahrzeugsblog.de/wp-content/uploads/2013/12/Land_Rover_Defender_002.jpgLand Rover Defender <br />Die Weisheit des Alters

Er wurde jüngst noch einmal überarbeitet und ist doch veraltet. Das macht den Charme des Land Rover Defender aus, doch der Fortschritt ist nicht aufzuhalten.

Manchmal grüßt einer. Das ist so üblich unter Defender-Fahrern, dass sie sich gegenseitig grüßen. Es geht wohl darum, sich gegenseitig zu versichern, dass man aus demselben, groben Holz geschnitzt ist. Dass man die Errungenschaften allzu moderner Technik ablehnt und bereit ist, dafür Entbehrungen in Kauf zu nehmen. Elektronik, die heimlich im Hintergrund werkelt, die man nicht kontrolliert, die irgendwie okkult ist, die lehnt man ab. Deshalb fährt man nicht BMW X5, Mercedes M-Klasse oder Kompakt-SUV.

Es geht um Transparenz beim Land Rover Defender. Um das Gefühl, dass der Mensch die Technik beherrscht und nicht umgekehrt, dass einem nicht das Steuergerät das Auto stilllegt, und dass man es ohne Laptop und einen Studienabschluss in Informatik nicht mehr in Gang bekommt. Eine Illusion, aber man braucht schon noch mechanische Empathie, um Defender zu fahren. Man hört das Differential summen und muss sich Zeit nehmen für den Gangwechsel.

Der Ellenbogen hängt raus

Genau wie beim Urahn von 1948 sitzt beim aktuellen Defender eine Aluminiumkarosserie auf einem Leiterrahmen. Die Blattfedern wurden 1983 durch Schraubenfedern ersetzt, der neue 2,2-Liter-Diesel mit 122 PS schafft jetzt die Euro-5-Norm. Aber noch immer rollt er auf Starrachsen durch Gebirge, Wälder oder Großstadt-Wüsten. Lkw-Technik ist das, die dem Defender je nach Modell-Variante zu einer Zuladung von bis zu 1,6 Tonnen und einer Anhängelast von 3,5 Tonnen verhilft. Er kann was, dieser Defender: 50 Zentimeter Wattiefe, Böschungswinkel von 49 Grad, 31 Zentimeter Bodenfreiheit, 45 Grad Steigfähigkeit. Das sind die Eckdaten des Defender 90 Station Wagon (ab 28.890 Euro) – und man kann all das gar nicht auf die Probe stellen.

Vier Personen bietet der 90er Platz (die Zahl gibt den Radstand in Zoll an). Wobei die hinteren Sitze mit einigem Kraftaufwand von der Seitenwand in den Innenraum geklappt werden müssen. Vorne sitzt man noch immer viel zu weit außen, so dass man gerne die Fenster öffnet (das funktioniert inzwischen auf Wunsch elektrisch) und den Ellenbogen raushängen lässt. Die Pedalerie liegt zu weit in der Fahrzeugmitte, eine große Kiste zwischen den Vordersitzen dient als Staufach.

“Command View” nennt Land Rover die Sitzposition, und tatsächlich sitzt man so hoch, dass man selbst auf SUV-Fahrer herab-blickt. Die meisten Autos sind nur in größerem Abstand im Innenspiegel zu sehen, sonst verschwinden sie quasi unter dem Ersatzreifen auf der Hecktür.

Der Charme der Vergangenheit

Bei aller Modernisierung, die der Defender über die Jahre erfahren hat, wähnt man sich immer noch in einem Auto der 80er-Jahre. Das großflächig-kantige Interieur, das indifferente Lenkgefühl, die marginale Federung – kein Airbag. Lange Autobahnetappen sind mit dem Defender eine Qual. Insbesondere mit dem 90er. Der hoppelt über jede Bodenwelle, die Fahrgeräusche sind bei 130 km/h unangenehm, und man schwimmt immer so ein bisschen hin und her. Der Verbrauch (an die 14 Liter) schränkt die Reichweite ein.

Man muss also wirklich Entbehrungen in Kauf nehmen. Und trotzdem erliegt man dem Charme dieses hoffnungslos veralteten Autos. Die klaren, geraden Linien ohne Wülste, ohne unnötige Sicken, ohne Rücksicht auf Crashvorschriften machen den Defender wunderbar übersichtlich. Diese mechanische Einfachheit und Ehrlichkeit machen ihn zu einem Unikum der Autowelt.

Lange geht das nicht mehr so weiter. Ab 2015 will Land Rover einen neuen Defender bauen. Die Studie DC100 gibt schon einen Ausblick darauf. Land-Rover-Designer Gerry McGovern bezeichnete sie als “Beginn einer vierjährigen Reise, um einen relevanten Defender für das 21. Jahrhundert zu designen.” Egal, was dabei herauskommt: Der neue Defender wird dem alten im Gelände davonfahren, klaglos Autobahnetappen absolvieren, alltagstauglich sein, sicherer und sparsamer. Er wird in jeder Hinsicht das bessere Auto sein – und seine Fahrer werden sich nicht mehr grüßen.

Dieser Artikel erschien am 10. November 2012 in der “Berliner Zeitung”.

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