Ab und zu braucht ein Aston Martin Auslauf. Wer einen hat, oder haben will, bekommt bei den “Big 5″ die Gelegenheit ihn mal auszufahren. Zum Beispiel auf dem Nürburgring.
Das nennt man wohl ein Luxusproblem: Welches Modell ich denn zuerst fahren möchte, fragt die Dame mit dem Aston-Martin-Logo auf dem Poloshirt. Zur Auswahl stehen ein DBS, ein Virage und ein V12 Vantage. Keine leichte Entscheidung – doch da rauschen Virage und V12 Vantage schon Richtung Nürburgring-Grand-Prix-Strecke davon. Bleibt der perlmuttweiße DBS.
Auch recht. Während ich mich in den Ledersitz gleiten lasse, sagt noch jemand: “V12 ist V12.” Das stimmt so nicht ganz. Zwar wummert unter allen drei Hauben Aston Martins 5,9-Liter-Zwölfzylinder, aber die Charaktere sind verschieden, wie sich später auf der Rennstrecke zeigt.
Fünf Kilometer Konzentration
Die Eifel meint es gut mit den Teilnehmern an diesem vierten Erlebnistag, von denen Aston Martin jährlich fünf (die “Big 5″) für seine Kunden – oder solche, die es werden wollen – veranstaltet. Zwar bleiben große schwere Wolken den ganzen Tag über unsere ständigen Begleiter, doch immer wieder kommt auch die Sonne durch – bei wenig spätsommerlichen 16 Grad. Regen, der hier wie aus heiterem Himmel sintflutartige Dimensionen annehmen kann, blieb gänzlich aus. Perfekte Bedingungen für zügige Runden auf der Rennstrecke also.
Doch es beginnt langsam. In verschiedenen Gruppen werden die Teilnehmer Abschnitt für Abschnitt an den Kurs herangeführt. Vier, fünf Mal durchfahren wir hinter unserem Instruktor, dem Rennfahrer Wolfgang Kaufmann, dieselbe Kurvenkombination mit stetig steigender Geschwindigkeit: Ford-Kurve, Dunlop-Kehre, Schuhmacher-S – und weiter zum nächsten Abschnitt. Schon in der nächsten Session jagen wir komplette Runden hinter Kaufmann her. Am Nachmittag werden schließlich alle unbeaufsichtigt auf die gut fünf Kilometer lange Runde gelassen.
Manche der Teilnehmer erleben ihr Auto zum ersten Mal auf der Rennstrecke, andere sind regelmäßige Kunden. Die beim Briefing ausgegebene Devise, dass die erste Priorität an diesem Tag ist, “Spaß zu haben”, gilt aber für alle. Und unser Instruktor Wolfgang Kaufmann nimmt sie ernst. Immer wieder hat er uns auf den geführten Runden “Faster, faster!” oder “Power, Power, Power” durchs Funkgerät zugerufen, während er die korrekte Linie durch das Geschlängel gewiesen hat.
Übersteuern unter Zug
Und Power haben die Astons ausreichend. Im Virage sind es 497 PS, in DBS und V12 Vantage 20 mehr. Zudem zerren 570 Newtonmeter Drehmoment an der Hinterachse. Dabei übernehmen Virage und DBS eher die Rolle des mächtigen Gran Turismos mit Potenzial für gute Rundenzeiten. Wobei die Sechsgang-Automatik (natürlich mit Schalt-Paddeln an der Lenksäule für die manuelle Bedienung) sicher zum etwas weicheren Charakter der beiden beiträgt.
Trödler sind sie alle nicht. Wenig Untersteuern vom Kurveneingang bis zum Scheitelpunkt wechselt unter ordentlich Zug ins leichte Übersteuern. Man lehnt sich immer wieder gerne auf die breiten Walzen an der Hinterachse. Die Balance ist prima, die Keramikbremsen auch. Sie zeigen auch nach diversen schnellen Runden am Stück kein Fading, trotz der harten Bremszonen am Ende der Start-Ziel-Geraden und vor der Dunlop-Kehre.
Kleines Auto, großer Motor
Der V12 Vantage ist das fokussiertere, das direktere Auto. Er folgt dem wundervollen altmodischen Rezept, einen großen Motor in ein kleines Auto zu quetschen. Die Basis bildet nämlich der V8 Vantage. Entsprechend füllt der sehr viel größere V12 den Motorraum luftdicht aus.
Seine Sechsgang-Handschaltung sorgt für mehr Verbundenheit, der Motor reagiert auf jedes Zucken des Gasfußes eine Spur spontaner, das Fahrwerk ist härter – und er rollt auf Semi-Slicks, die hier auf der Rennstrecke fast zu Hause sind. Dann ist da noch der Klang: Das Gurgeln, Hämmern und Fauchen des V12 dringt ungefilterter in den Innenraum. Keine Frage, der V12 Vantage ist das schnellste Auto auf dem Kurs.
So könnte es eigentlich noch lange weitergehen. Zumal der Kreis mit insgesamt nur 25 Autos recht exklusiv ist. Wer eine günstige Gelegenheit abpasst, kann ungestört Runde um Runde abspulen. Nur Wolfgang Schuhbauer, Leiter des Aston Martin Test Centers am Nürburgring und selbst Rennfahrer, taucht immer wieder im Rückspiegel auf. Er gibt Taxifahrten im Aston Martin Langstrecken-Rennwagen. Der ist nun wirklich in einer ganz anderen Liga unterwegs. Allerdings könnte man mit dem nur schwerlich den Heimweg antreten.
Dieser Artikel erschien am 3. September 2011 in der “Berliner Zeitung”.
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