Mercedes SL 500
Gran Tourismus

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Der Mercedes SL passt zur Costa del Sol wie Cowboy-Stiefel zur Reeperbahn, wie Pelzmäntel zum Ku’damm – und das inzwischen schon seit sechs Jahrzehnten.

Vor 60 Jahren, im Jahr 1952 also, fing es an. Alfonso Prinz zu Hohenlohe kaufte in Marbella Land und baute darauf eine Finca. Im selben Jahr erschien der Rennwagen Mercedes 300SL, der bei der Mille Miglia die Plätze zwei und vier belegte und einen Doppelsieg beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans einfuhr. 1954, als der Prinz das Marbella Club Hotel eröffnete, kam die Straßenversion des Flügeltürers. 1957, ein Jahr nachdem Grace Kelly und Fürst Rainier auf ihrer Hochzeitsreise im Marbella Club Hotel Station gemacht und damit den Ruf Marbellas als Jetset-Reservat zementiert hatten, kam der 300SL Roadster.

Inzwischen sind Marbella und Umgebung zugebaut. Ein Streifen Küste, durchschnitten von Schnellstraßen, gespickt mit Hotels und zahlreichen Feriensiedlungen für Senioren, die hier die Wintermonate verbringen. Die Gegend ist insgesamt eher unansehnlich, statt Gina Lollobrigida, Gunter Sachs – zwei der ersten Kunden, die einen 300 SL fuhren – Brigitte Bardot oder Grace Kelly, urlauben hier reiche Geschäftsleute aus Russland oder England und präsentieren ihre Jachten und Luxuskarossen im immerhin noch recht pittoresken Hafenort Puerto Banus.

Halbseidenes Image

Der SL passte eigentlich immer ganz gut in diese Umgebung. Das gilt für den Urvater genauso wie für die von 1963 bis 1971 gebaute “Pagode”; für die Baureihe R107 (1971 bis 1989) oder auch für den Nachfolger R129 (1989 bis 2001).

Und es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich die verschiedenen Modelle im sich über die Jahrzehnte wandelnden Marbella vorzustellen. Mag sein, dass die Baureihe R107 aus heutiger Sicht etwas zu elegant wirkt für die Costa del Sol der 80er-Jahre, als die Region zum Fluchtpunkt britischer Groß-Krimineller wurde und als die ersten Petrodollars in die Region flossen. Doch der SL war ja auch damals ein Auto der Playboys und hatte zuweilen ein etwas halbseidenes Image.

Das hat er bis heute nicht abgelegt. Mercedes selbst spricht von einer “männlich-muskulösen Sportlerstatur”, und die derzeitige Designsprache mit dem steil stehenden und weit nach vorne gezogenen Kühlergrill gehört wohl zum aggressivsten, was Mercedes je gemacht hat. Doch ohne Zweifel war jeder SL in den 60 Jahren seiner Geschichte immer auch eine der exklusiven Auto-Ikonen seiner Zeit.

Wider den steifen Nacken

Exklusiv ist der SL nach wie vor – der Grundpreis für den SL 350 liegt bei 94.962 Euro. Der SL500, der statt eines V6-Benziners einen V8 unter der langen flachen Haube hat, kostet 119.119 Euro. Immerhin: Ein Original-300SL ist heute rund drei- bis viermal so viel wert.

Der heutige SL ist kein reiner Sportler – im Grunde war das ja schon die Pagode nicht mehr –, sondern ein Gran Turismo, ein Cruiser. Stahlverdeck auf, Seitenfenster und Windschott hoch und der SL 500 ist bereit, die Kilometer zu verschlingen. Selbst auf der Autobahn regt sich dabei kaum ein Lüftchen im Innenraum. Wenn die südspanische Sonne auf das edle, fein vernähte Leder scheint, kann man sogar auf lange Ärmel verzichten. Und sollte es doch mal kalt werden, hilft der in die Kopfstützen integrierte optionale Airscarf gegen den steifen Nacken.

Der Glamour ist verloren

Theoretisch ließen sich so viele 100 Kilometer abspulen, schließlich soll der neue 4,7-Liter-V8 nur 9,1 Liter Super verbrauchen. Bei der Fahrt im bergigen Hinterland – wundervoll gewundene Landstraßen in verschiedensten Größen – war der Verbrauch indes sehr deutlich zweistellig. Denn wenn man will, ist der SL ein ziemlich sportliches Cabrio. Die Fahrwerksbalance ist neutral, wenn man mag nimmt er ziemlich flott die Kurven. Insbesondere mit dem ABC-Fahrwerk, das Aufbaubewegungen beim Bremsen oder in Kurven minimiert, schafft der SL 500 es fast, sein Gewicht von rund 1,8 Tonnen vergessen zu machen.

Ernsthafte Probleme hat der V8-Benziner, der mit zwei Turbos auf 435 PS und 700 Newtonmeter Drehmoment kommt, nicht. Beim Kickdown schaltet die Siebengang-Automatik zügig zwei bis drei Gänge runter und der SL wird sehr nachdrücklich nach vorne geschoben. Dabei grollt er sogar V8-typisch. Nicht vulgär laut, aber hörbar.

So ist der SL also auch im 60. Jahr seiner Geschichte noch immer ein begehrenswertes Auto. Den gleichen legendären Status wie der Urvater 300SL wird er indes ebenso wenig erreichen, wie Marbella den Glamour zurückbekommt.

Dieser Artikel erschien am 14. März 2012 in der “Berliner Zeitung”.

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